Sabrina Marisch: Herr Woitsch, Kryptowährungen sind ja mittlerweile weit verbreitet. Wie sieht das steuerlich eigentlich aus?
Michael Woitsch: Grundsätzlich gelten Kryptowährungen in Deutschland als immaterielle Wirtschaftsgüter. Man kann sie also nicht anfassen, aber ihr Wert ist real. Sobald man Coins kauft, verkauft, verleiht oder anderweitig nutzt, kommen steuerliche Pflichten ins Spiel – egal ob privat oder im Unternehmen.
Sabrina Marisch: Was bedeutet das konkret für private Anleger?
Michael Woitsch: Privat ist vor allem die Haltefrist wichtig. Hält man seine Coins länger als ein Jahr, ist der Verkauf meist steuerfrei. Wird innerhalb eines Jahres verkauft und dabei Gewinn gemacht, fällt Einkommensteuer an. Es gibt aber eine Freigrenze von 600 Euro – darunter bleiben die Gewinne steuerfrei.
Sabrina Marisch: Gibt es Besonderheiten bei Staking, Lending oder Mining?
Michael Woitsch: Ja, die gibt es. Erträge aus Staking (Bereitstellen von Coins) und Lending (Verleihen gegen Zins) werden als sonstige Einkünfte betrachtet und sind ab 256 Euro im Jahr steuerpflichtig. Mining (Schürfen von Coins) wiederum wird meist als Leistung betrachtet und entsprechend versteuert. Airdrops (kostenloses Verteilen neuer Coins) sind häufig steuerfrei, wenn man nichts dafür tun muss. Forks (Abspaltung neuer Coins) sind meistens steuerfrei, solange die ursprünglichen Coins lange genug gehalten wurden.
Sabrina Marisch: Wie wichtig ist die Dokumentation?
Michael Woitsch: Sehr wichtig. Man sollte alle Käufe, Verkäufe und Erträge genau dokumentieren – Datum, Kurs, Menge, Gebühren. Steuerreports von Plattformen oder spezialisierte Software helfen hier enorm und werden vom Finanzamt anerkannt.
Sabrina Marisch: Und wie sieht es aus, wenn jemand Kryptowährungen gewerblich nutzt?
Michael Woitsch: Dann gelten andere Regeln. Erträge sind Betriebseinnahmen, die Einkommensteuer und möglicherweise Gewerbesteuer unterliegen. Es besteht Buchführungspflicht, und auch Kosten für Anschaffung und Verkauf müssen dokumentiert werden. Airdrops und Forks zählen hier ebenfalls als Betriebseinnahmen.
Sabrina Marisch: Und was passiert bei Erbschaften oder Schenkungen mit Kryptowährungen?
Michael Woitsch: Auch da wird’s steuerlich relevant. Entscheidend ist der Marktwert zum Zeitpunkt der Übertragung. Es gibt Freibeträge, etwa 400.000 Euro bei Eltern auf Kinder. Verkauft man später, gilt wieder die Haltefrist für die Steuerfreiheit.
Sabrina Marisch: Zusammenfassend – was sollten Anleger und Unternehmer mit Kryptowährungen beachten?
Michael Woitsch: Die wichtigste Faustregel ist: Wer privat investiert, kann oft nach einem Jahr steuerfrei verkaufen. Wer gewerblich tätig ist, muss mehr dokumentieren und versteuern. Letztlich hängt alles vom Nutzungszweck und der Haltefrist ab.